Neues zum Rotavirus bei Tauben – Teil 1
„Auslöser der Jungtaubenkrankheit gefunden“

von Wilhelm Bauer

Seit ein paar Jahren hört man immer wieder vom Rotavirus bei Tauben. Wie bei allen Neuigkeiten weiß man aber zuerst nichts so richtig damit anzufangen. Nun wurden neueste Erkenntnisse dazu veröffentlicht, die für Taubenzüchter sehr interessant sein dürften.
Spätestens mit der derzeitigen Corona-Pandemie wird uns allen täglich aufs Neue klar, dass die Welt zum Dorf geworden ist. Früher für nahezu unüberwindbare gehaltene Entfernungen sind heute nur einen Katzensprung von uns weg. Das merken natürlich auch die Taubenzüchter. Eine fast unüberschaubare Anzahl an neuen Rassen bereicherten in den letzten Jahrzehnten unsere Ausstellungen. Dabei ist ein Ende dieser Entwicklung noch lange nicht abzusehen.
Doch leider kommen nicht nur bereichernde Elemente, sondern eben auch Dinge, die man lieber außen vorgehalten hätte. Dazu kann man ohne Zweifel das Rotavirus zählen. Im Jahr 2016 drangen auf einmal Nachrichten aus Australien zu uns vor, die von schweren Krankheitsausbrüchen bei Tauben berichteten, die von einem Rotavirus hervorgerufen wurden. Bis zu 50 Prozent der Tauben in den betroffenen Taubenschlägen starben innerhalb kürzester Zeit. Der Krankheitsverlauf ging sehr schnell vonstatten und die betroffenen Tauben zeigten mehr oder weniger alle dieselben Symptome: Durchfall, Erbrechen und mit Futter und Wasser gefüllte Kröpfe zeigten sie alle. Es waren also alles mehr oder weniger die gleichen Erscheinungen, wie man sie auch bei der Jungtaubenkrankheit kennt.

Nun wurden zwischen deutschen und australischen Wissenschaftlern Untersuchungen angestellt und es stellte sich heraus, dass auch in europäischen Taubenbeständen Rotaviren weit verbreitet sind. So fand man zum Beispiel in Süddeutschland bei einem Züchter von Thurgauer Elmern ebenfalls Rotaviren. Die Rotaviren waren zwar nicht identisch mit denen in Australien, aber dennoch eng verwandt. Das Krankheitsbild der Tauben entspricht mehr oder weniger dem der Jungtaubenkrankheit. Dass die Forscher unbedingt Näheres dazu wissen wollten, war verständlich. Die Forschungen gingen weiter und wurde in Kooperationsarbeit des Friedrich-Löffler-Instituts und der Klinik für Geflügel der Tierärztlichen Hochschule in Hannover geleistet. Nun stehen neueste Erkenntnisse fest, die für die Taubenzüchter von großer Bedeutung sind. Stellen sie doch einige der bisherigen Vermutungen auf den Kopf.
Die Jungtaubenkrankheit tritt in Europa seit nunmehr fast 30 Jahren regelmäßig auf, wobei die Wellen immer wieder abschwächen, ehe sie wieder verstärkt auftreten. Vor allem seit 2017 sind schwere Krankheitsverläufe in sehr vielen Taubenbeständen zu beobachten gewesen. Dabei sind die Tauben alle fast mehr oder weniger gleichzeitig erkrankt, wobei der Krankheitsverlauf unterschiedlich verlaufen kann. Interessant ist allerdings, dass die meisten Tauben nach mehreren Tagen bis zur Dauer von einer Woche zumindest vom Aussehen her wieder gesund erscheinen. Da niemand so richtig wusste, was die Ursachen für die Jungtaubenkrankheit waren, wurde viel spekuliert. So vermutete man zum Beispiel, dass Infektionen mit Adenoviren, Circoviren oder auch Coli-Bakterien den Ausbruch der Jungtaubenkrankheit verursachen könnten. Selbst der Faktor Stress und weitere verschiedenste Erreger wurden angenommen. Beziehungsweise vermutete man, dass sie als so genannte verkomplizierende Faktoren die Jungtaubenkrankheit zumindest verstärken. Eine alleinige Erklärung wurde ausgeschlossen.
Dass die Kommunikation zwischen den Ländern weltweit ein Segen sein kann, wurde schnell deutlich. Australische Forscher haben nämlich das Rotavirus der dortigen Taubenbestände intensiv untersucht und dabei herausgefunden, dass die erkrankten Tauben allesamt das fast unbekannte Rotavirus vom Typ Rotavirus A (RVA) Genotyp G18P(17) in sich getragen haben. Da auch die deutschen Taubenbestände Rotaviren A eines eng verwandten Typs hatten, fasste man schnell den Entschluss, hier zusammenzuarbeiten. Selbst alte Proben aus dem Jahr 2000 wurden untersucht und auch hier konnten RVA nachgewiesen werden. Diese wurden nun genauer genetisch untersucht, wobei deutlich wurde, dass die Stämme alle sehr eng miteinander verwandt sind. Sie bilden innerhalb des RVA-Genotyps G18P(17) eine eigene Gruppe, die sich an die Taube ungeheuer gut angepasst hat. Die unterschiedlichen Linien dieses „Taubentyps“ des RVA traten meistens irgendwann und plötzlich auf. Sie waren einige Jahre nachweisbar und wurden dann von neuen Stämmen abgelöst.
Und nun wurde es besonders interessant: Die letzte große Welle neuer Tauben-RVA-Stämme trat 2017 auf. Also just zu der Zeit, als die Jungtaubenkrankheit in
Europa wieder eine Hochphase hatte. Dieser Stamm war auch sehr eng mit dem australischen Stamm verwandt, der dort für das Massensterben verantwortlich war. Für den Züchter sind solche genetischen Zusammenhänge zwar interessant zu wissen, aber für die tägliche Gesundheitsvorsorge ihrer Tauben von eher untergeordneter Bedeutung. Die Ergebnisse der praktischen Untersuchung ergaben einen deutlichen Zusammenhang zwischen dem Vorhandensein des RVA und dem Auftreten der Symptome der Jungtaubenkrankheit. Oder anders ausgedrückt: Je markanter die Symptome der Jungtaubenkrankheit beobachtet wurden, desto häufiger konnte das RVA nachgewiesen werden.
Dazu wurden Jungtauben mit dem RVA infiziert und eine Kontrollgruppe nicht. In den beiden infizierten Gruppen konnte während der gesamten Versuchsdauer das Erbgut des RVA nachgewiesen werden. In der Hochphase der Erkrankung, also in den Tagen drei bis fünf, war die Virusmenge am größten. Sie fiel danach schnell ab, war aber die ganzen 21 Tage des Kontrollzeitraums nachweisbar. Bei der anschließenden Sezierung der Tauben, waren bei den infizierten Gruppen Organschäden sichtbar. So unter anderem eine geschwollene Leber und teilweise eine vergrößerte Milz.
Was sind nun die Ergebnisse dieser Untersuchungen? Sie beweisen, dass durch das RVA zuvor vollständig gesunde Jungtauben innerhalb kürzester Zeit die Symptomatik der Jungtaubenkrankheit zeigen. Das heißt, dass das Rotavirus vom Typ RVA G18P(17) der Auslöser der Jungtaubenkrankheit ist. Da keine anderen Erreger vorhanden waren – auch während der Versuchsphase nicht – also keine Adeno- oder Circoviren, ist auch geklärt, dass die Jungtaubenkrankheit keine multifaktorelle Erkrankung ist. Sie ist eine typische Infektionskrankheit.
Das schließt nicht aus, dass weitere Erreger natürlich den Verlauf der Jungtaubenkrankheit verschlimmern und sogar verkomplizieren können. Inwieweit das detailliert zutrifft, muss noch untersucht werden. Überhaupt ist der Verlauf der Jungtaubenkrankheit selbst durch die verschiedenen RVA-Stämme unterschiedlich, und zwar von leicht bis sehr schwer. Je nach Aggressivität des RVA-Stammes kann sie nämlich von sehr leicht bis zu sehr schwer ablaufen. Das erklärt auch, die unterschiedliche Ausprägung bei unterschiedlichen Zuchtbeständen. Und dass in den letzten drei Jahren die Jungtierkrankheit bei uns sehr gravierend um sich greift, lässt sich durch das Auftreten neuer RVA-Stämme in Europa leicht erklären.
Da man nun weiß, dass es sich um ein Virus handelt, ist auch klar, dass Antibiotika-Gaben nicht helfen, wenn die Jungtaubenkrankheit ausgebrochen ist. Darüber hinaus gesunden die erkrankten Tauben auch ohne irgendwelche Behandlung innerhalb weniger Tage, wenngleich es natürlich bei aggressivem Verlauf zu Todesfällen kommen kann. Bis die Tauben vollständig gesundet sind, dauert es aber eine Weile. In der Regel mehr als drei Wochen. Als Züchter muss man also genau abwägen, wann man seine Tauben zum Beispiel wieder bei einer Ausstellung präsentiert. Es kann also durchaus für die weitere Jahresplanung sinnvoll sein, wenn die Jungtaubenkrankheit recht bald auftritt. Von einigen Brieftaubenzüchtern weiß man, dass sie sich gleich nach Zuchtende treffen, um ihre Tauben durchseuchen zu lassen.
Vergleicht man nun wieder das RVA mit dem Corona-Virus, dann hat man die gleiche Problematik mit der Bekämpfung. Man braucht einen Impfstoff. Aber während man zum Beispiel heute gegen das Paramyxo-Virus einen passenden Impfstoff hat, ist das beim RVA (noch) nicht der Fall. Aber so ganz stimmt das nicht. Eine deutsche Tierarztpraxis entwickelt seit ein paar Jahren einen bestandsspezifischen Impfstoff gegen das RVA, der auch wirksam ist. Problematisch ist derzeit einzig, dass die Kosten im Vergleich zu anderen Impfstoffen einfach höher sind.
Es ist hoffentlich nur eine Frage der Zeit, bis die Forschung einen Impfstoff entwickelt hat, der in der Breite wirkt. Dann wäre auch der Kostenfaktor mit Sicherheit überschaubar. In diesem Zusammenhang müssen die Rassetaubenzüchter auf den Forscherdrang der Brieftaubenzüchter hoffen. Dort ist der potenzielle Markt einfach größer und man braucht sich nichts vorzumachen, dass auch dieses Spektrum der Wirtschaftlichkeit unterliegt.
Ein Anfang ist gemacht. Es bleibt zu hoffen, dass möglichst schnell ein passender Impfstoff gefunden wird. Dann hätte die Jungtaubenkrankheit ihren Schrecken verloren. Das wäre für sehr viele Taubenzüchter ein wirklicher Segen.

Neues zum Rotavirus bei Tauben – Teil 2
„Impfstoff gegen Rotaviren“

von Wilhelm Bauer

Wie es aussieht, gibt es innerhalb kürzester Zeit einige weiterführende Informationen zu Rotaviren bei Tauben. Dies ist deshalb für uns interessant, da sie – wie im vorstehenden Bericht beschrieben – Auslöser der Jungtaubenkrankheit sind.
War bisher nur ein Impfen mit einem bestandsspezifischen Impfstoff möglich, der zugegebenermaßen nicht ganz billig war (weiterführende Informationen: Tierärztliche Praxis am Weinberg, Weinberge 39a, 06917 Jessen/Elster, OT Schweinitz, Tel. 0 35 37/20 23 25, info@vetkomb.de, www.vetkomb.de), gibt es aus der Slowakei nun einen Kombiimpfstoff, der sowohl gegen Rotaviren als auch das Paramyxovirus wirkt. Einziger Haken an diesem Impfstoff (Colvac RP – Hersteller: Pharmagal Bio) ist, dass er zwar in Tschechien aber für Deutschland bis jetzt noch nicht zugelassen ist.
Die Brieftaubenzüchter haben es dennoch geschafft, dass er mit einer Ausnahmegenehmigung eines Tierarztes in Deutschland eingesetzt werden darf.
Auch wenn das mit einem etwas größeren Aufwand verbunden ist, ist das vielleicht für Züchter, die bisher mit der Jungtaubenkrankheit große Verluste haben hinnehmen müssen, eine Alternative.
Eine wertvolle Hilfe ist in diesem Zusammenhang die Brieftaubenklinik des Verbandes Deutscher Brieftaubenzüchter (www.brieftaube.de).
Diese hat auch eine Übersicht über die notwendigen Anforderungen aufgestellt. Hier ist auf den ersten Blick zu erkennen, welche Aufgaben auf den Tierarzt und den Züchter zukommen. Eine genaue Dokumentation ist wichtig, um zu einem späteren Zeitpunkt eine Zulassung für Deutschland zu erreichen.

TaubenTaubenzüchterTierarzt
Nur gesunde Tauben impfen.Ringnummern aufschreiben, ungefähres Alter der Tauben angeben.Muss alles genau aufschreiben, auch das Alter der geimpften Tauben.
Ab 28 Tagen ist die Impfung möglich, wir empfehlen im Alter von 6 Wochen zu impfen.Alle auftretenden Fragen möglichst vorher stellen, selbstverständlich beantwortet der Tierarzt aber auch spätere Fragen.Wenn Ihr Tierarzt nicht weiß, wie die Impfstoffgenehmigung abläuft, dann kann er sich gerne an die Taubenklinik wenden.
Tauben gut beobachten, jeder positive wie negative Hinweis hilft.Bitte 7 – 10 Tage nach der Impfung den Tierarzt kurz informieren. (Berichtsvordruck in der Taubenklinik erhältlich).Damit es zukünftig noch einfacher wird, müssen wir möglichst viel über den Impfstoff erfahren, dazu müssen Taubenhalter und Tierärzte ihre Erfahrungen weitergeben: ausgefüllten Berichtsvordruck bitte an folgende Anschrift senden:
Taubenklinik
Katernberger Str. 115
45327 Essen
Tel. 0201 – 84 83 90
Fax. 0201 – 84 83 9 68
tk@brieftaubenverband.de
Spezielle Impfung gegen die Jungtaubenkrankheit mit Rotavirusimpfstoff (Alternative zur bestandsspezifischen Impfung weiterhin möglich).Bitte nach der Jungtaubenreise den Tierarzt informieren, jeder Hinweis hilft bei dem Versuch, den Impfstoff offiziell zuzulassen. (Berichtsvordruck in der Taubenklinik und bei www.brieftaube.de)

Eigene Erfahrung mit der Rotavirenimpfung

von Kai Schnellbächer

Immer nach der 1.Ausstellung des Jahres, dies ist war meist unsere Landesschau, trat 8 Tage später eine leichte Form der Jungtaubenkrankheit auf. Zwar habe ich immer gleich den Bestand mit Unterstützung meines Tierarztes behandelt und hatte so gut wie keine oder nur sehr geringe Verluste. Doch bis der gesamte Bestand wieder so fit war, dass ich diese guten Gewissens auf eine weitere Ausstellung bringen konnte war oft von langer Dauer oder sogar der Verzicht auf eine Beschickung der Schau. Die Ausstellungen sind nicht das Wichtigste, aber es bedeutet immer wieder für die Tauben ein extremer Stress bis diese wieder Gesund sind. Ich bin kein Freund davon die Tauben so hoch zu päppeln, dass diese mit Medikamente Ihr Leben verbringen.

Als mir nun im Winter mein Tierarzt anbot die Tauben gegen den Rotavirus zu impfen, nahm ich diese an. Seine Empfehlung war die Tauben vor der Brutzeit zu impfen, da dadurch schon die Jungen eine Grundimmunisierung erhalten. Da ich erst Ende März, Anfang April mit dem Brüten anfange, wurden meine Tauben im Abstand von 3 Wochen 2-Mal im März geimpft. 

Wissen muss man, dass der Impfstoff noch nicht in Deutschland zugelassen ist und die Impfung im Rahmen der Studie der Brieftaubenzüchter stattfinden kann. Der Tierarzt selbst, sollte sich schon mit Tauben auskennen und benötigt auch eine Genehmigung vom zuständigen Bundeslandes in dem er praktiziert. Der Tierarzt klärt einem vor der Impfung über die Rotavirenimpfung und dem derzeitigen Stand der Studie auf und man erhält auch ein Meldeformular, für den Fall dass es nach der Impfung zu Ausfällen oder sonstige Anomalitäten kommt. 

Nach dem Impfen waren meine Tauben so Fit wie vorher und zeigten auch keine Anomalitäten. Auch begannen Sie ohne Probleme mit dem Brutgeschäft.

Nun wollen wir abwarten, wie die nächste Schausaison verläuft und ich werde entsprechend berichten.

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